Jahrzehntelang hat die Mountainbike-Technik nach dem Baukastenprinzip funktioniert. Solange Schalthebel und Schaltwerk von einem Hersteller waren, konnte man die restlichen Anbauteile nach Belieben kombinieren. In der Ära von Neun- und Zehnfach-Schaltungen konnte man getrost ein Sram-Schaltwerk mit einer Kassette und Kette von Shimano kreuzen. Doch mit der immer spezifischeren Ausrichtung von MTB-Komponenten beginnt dieses Prinzip zu wackeln. Und zwar mächtig. Der universelle HG-Standard am Freilauf wird mehr und mehr durch die herstellereigenen XD- (Sram) und Micro-Spline-Varianten (Shimano) verdrängt. Wer einen aktuellen Zwölffach-Antrieb von Sram verbaut hat, kann also gar keine Shimano-Kassette mehr montieren, ohne nicht auch das Hinterrad oder zumindest den Freilauf zu tauschen.
Dennoch bleibt die Frage: Lässt sich ein Zwölffach-Antrieb von Sram mit einer Zwölffach-Kassette von Shimano fahren? Zum Beispiel dann, wenn man einen zweiten, bereits mit Kassette ausgestatteten Laufradsatz zu Hause hat. Vielfahrer haben auch noch eine ganz andere Motivation beim Kombinieren von Ersatzteilen: Shimano-Kassetten sind meist etwas günstiger als das vergleichbare Produkt von Sram. Ein Beispiel: Eine Sram-GX-Eagle-Kassette bietet einer der führenden Online-Shops für 160 Euro an. Eine Shimano-XT-Zwölffach-Kassette kostet im selben Shop 145 Euro. Doch funktioniert die Sache wirklich?
Wir haben uns alle denkbaren Kombinationen in den Bereichen Schaltung und Bremsen in der Praxis angesehen und sind zum Schluss gekommen: Vor allem bei aktuellen Zwölffach-Schaltungen sind kaum Verbindungen aus Sram- und Shimano-Teilen möglich. Das Baukastenprinzip ist damit passé. Was zum Glück immer noch geht: Man kann die unterschiedlichen Gruppen eines Herstellers untereinander mischen.
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Autor: Ludwig Döhl
Interview
Dirk Zedler, Fahrradsachverständiger
BIKE: Die Bremse ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil. Sollte man hier Kompromisse mit einzelnen Bauteilen von Drittanbietern eingehen?
DIRK ZEDLER: Gerade bei der Bremse ist dieses Thema mit Vorsicht zu genießen. Denn sollte es zu einem Unfall durch Bremsversagen kommen, und in der Bremsanlage sind Teile von Drittanbietern verbaut, haftet im Zweifel derjenige, der den Komponentenmix montiert hat. Der Monteur ist dann in der Pflicht nachzuweisen, dass der Bremsbelag oder die Bremsscheibe des Drittanbieters die Leistung der Bremse nicht negativ beeinflusst. So ein Nachweis ist schwer zu erbringen.
Im Zweifel haftet also der Bikeshop, der günstigere Nachrüstbremsscheiben oder -beläge verbaut?
Ich gehe davon aus, dass namhafte Hersteller von Nachrüstbremsbelägen oder Bremsscheiben vor dem Verkauf von Ersatzteilen Tests mit den gängigsten Bremsanlagen durchführen, um die perfekte Funktion zu gewährleisten und zu dokumentieren. Als großer Kunde kann man sich solche Dokumente vielleicht sogar zeigen lassen. Wer sich darauf nicht verlassen will, sollte nur originale Bauteile im Bereich der Bremse verbauen.
Soweit die Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus? Gibt es da viele Unfälle, die auf eine nicht sachgemäß montierte Bremse zurückzuführen sind?
In der Praxis ist es durchaus üblich, dass Bremsbeläge von Drittanbietern verbaut werden. Dass sich dadurch jede Menge Unfälle ereignen, die zu einem Haftungsproblem führen, ist mir aber nicht bekannt. Wenn die Bremse versagt, liegt es meist an äußeren Einflüssen. Wenn zum Beispiel Öl von der Federgabel auf die Scheibe gerät. Dennoch kann man nur zu Produkten von namhaften Herstellern raten. No-Name-Bremsscheiben oder Beläge aus unbekannten Quellen bergen immer ein Risiko.
Das Interview führte: Ludwig Döhl